In Anbetracht der Vorweihnachtszeit erlauben Sie mir bitte, einen meiner Lieblingsdichter, den Österreicher Ernst Ferstl, zu zitieren:
Wer mit offenen Augen und Ohren durchs Leben geht, findet immer wieder Grund zum Staunen.
Grund zum Staunen hatten wir, als wir vor zwei Wochen am 25./26.11. die mehr als 400 Seiten Haushalt 2017 im HfA besprochen haben.
Grund zum Staunen hatten wir noch mehr, als wir – erst auf Nachfrage – das Schreiben des Landrats zum Haushalt 2016 erhalten haben. Dies datierte zwar mit Posteingang schon auf den 17.11., wurde uns aber erst nach den Besprechungen des Haushalts 2017 zur Verfügung gestellt.
Gestatten Sie mir einen Blick zurück:
Noch kurz vor der Kommunalwahl im März 2016 wurde uns von der Verwaltung sehr spät der Entwurf des Haushalts 2016 vorgelegt. Der Bürgermeister und die SPD gleichermaßen plädierten dafür, ihn möglichst schnell auf den Weg zu bringen, damit dringend notwendige Investitionen getätigt werden könnten. Eile war geboten, weil die Kreditaufnahme z.B. für den kombinierten Flüchtlings-/ Wohnkomplex am Grünen Weg und die Flächenfreisetzung am Bahnhof für 1,6 Mio Euro noch dieses Jahr getätigt bzw. damit begonnen werden sollte. Schließlich versprach auch die Mittelfristplanung nach fast 10 Jahren Haushaltssicherung einen positiven Trend: geplant waren für 2017 ein kleines positives Ergebnis in Höhe von 60.000 Euro, in 2018 sollte dies schon auf 300.000 Euro und in 2019 gar auf fast 400.000 Euro ansteigen. Dies verhieß: wir sind bald raus aus dem Haushaltssicherungskonzept! Und raus aus der Abhängigkeit von der Finanzaufsicht, die uns – solange wir kein ausgeglichenes ordentliches Ergebnis haben und unsere aufgelaufenen Defizite nicht getilgt haben – autonome Investitionsentscheidungen verbieten kann. Da wir seit Jahren ein defizitäres ordentliches Ergebnis haben, sah die Welt wieder rosig aus und der Haushalt wurde von der Koalition verabschiedet und dem Kreis zur Prüfung gesendet. Mittlerweile liegt uns die Antwort des Landrats von Mitte November vor, auf die ich noch zu sprechen komme.
Heute nun sollen wir über den Haushalt 2017 beschließen und wir erwarten, dass die Koalition den Entwurf der Verwaltung wieder mit kleinen Anpassungen beschließen wird. Dieser Entwurf sieht unter dem Strich ganz anders aus als der Haushalt 2016.
In der Mittelfristplanung sehen wir auf einmal nur noch rote Zahlen. In 2018 erwartet die Verwaltung einen operativen Verlust von 1,1 Mio Euro, in 2019 und 2020 kommen jeweils mehr als 825.000 Euro Verlust p.a. hinzu. In Summe werden wir – wenn wir nichts am Verhalten im laufenden Verwaltungsalltag ändern - 2,8 Mio weiteres Defizit bis Ende 2020 nur durch das operative Ergebnis erzeugen!
Die Gewerbesteuer in den kommenden Jahren soll niedriger ausfallen als noch 2016 geplant.
Dafür plant die Verwaltung plötzlich deutlich höhere Einnahmen aus der Einkommensteuer. Dies kann die Mindereinnahmen aus der Gewerbesteuer vielleicht aufbessern – doch woher die vielen Einwohner kommen sollen, die uns das bescheren soll, wissen wir nicht und ob sich der Zensus-Schlüssel zugunsten Kronbergs bei der Anteilsberechnung derart massiv auswirkt, ist zweifelhaft. In 2016 wurde der Anteil an Einkommenssteuer für 2019 noch mit 14,9 Mio geschätzt, für den HH 2017 steht dort ein Schätzwert von 15,9 Mio. Stellen wir uns einmal vor, dass dieser plötzliche Sprung tatsächlich käme: in Einwohner gerechnet wäre das eine Steigerung von fast 7% , also mehr als 1200 neue Einwohner in nur 3 Jahren! (von 2016 auf 2019). Ein Schelm, wer jetzt an Neubaugebiete denkt. Wenn dies jedoch nicht eintritt, dann sinkt unser ohnehin negatives Ergebnis in 2019 um 1 Mio und wir lägen dann bereits bei – 1,85 Mio Euro!
Woher rührt nun unser Staunen? Weil unsere Aufsichtsbehörde unseren ja noch rosig aussehenden Haushalt 2016 an vielen Punkten kritisiert hat, die jetzt im Haushalt 2017 unverändert blieben oder sogar noch schlimmer wurden.
Ich zitiere nun Formulierungen der Kommunalaufsicht:
„Voraussetzung zukünftiger Haushaltsgenehmigungen bleibt jeweils ein sowohl im aktuellen Jahr als auch in der mittelfristigen Ergebnisplanung ausgeglichenes ordentliches Ergebnis.“
Sind Sie sicher, dass Sie, sehr geehrte Mitglieder der Dreier-Koalition, einen Haushalt 2017 beschließen zu wollen, der in der mittelfristigen Ergebnisplanung hohe Defizite aufweist? Für 2018 erwartet die Verwaltung bzw. der Magistrat ein negatives ordentliches Ergebnis von -1,1 Mio Euro. Gleichzeitig steht im Haushalt, dass man sich in 2017 Gedanken darüber machen würde, wie man in 2018 eine Mio Euro einsparen könne. Warum geht das denn erst in 2017? Warum ist das denn so schwer? Was soll denn in 2017 einfacher werden am Sparen als heute?
Der Landrat weist ferner darauf hin, dass „das Haushaltssicherungskonzept für das Haushaltsjahr 2017 erstmals auch konkrete Maßnahmen zum Abbau der noch nicht gedeckten Fehlbeträge aus Vorjahren benennen und in einem entsprechenden Abbaupfad darstellen muss.“
Liebe Koalitionskollegen, als wir von der KfB vor zwei Wochen in der Haushaltsbesprechung 2017 genau das vorschlugen – nämlich eine Aktualisierung, eine Konkretisierung der Maßnahmen zur Haushaltskonsolidierung gemeinsam durchzuführen, bevor wir den Haushalt 2017 verabschieden – haben Sie, Herr Temmen, geantwortet, dass Sie dies erst zu einem späteren, uns nicht genannten Zeitpunkt vorhätten. Und Sie, liebe Dreierkoalition, haben im HfA für einen Haushalt 2017 mit nicht aktuellen und daher falschen Zahlen für den Maßnahmenplan gestimmt. Wir können, ja wir dürfen diesem Haushalt nicht in der Form zustimmen, weil wir damit gegen Anforderungen selbst des Landrats verstoßen.
Ich zitiere sinngemäß den Landrat weiter: „Das Personalkostenbudget 2016 wurde gegenüber den beiden Vorjahren erheblich ausgeweitet. Trotz Personalabbaus konnten die Personalkosten nicht gesenkt werden. Es gilt, … einer weiteren Ausuferung der Personalkosten Einhalt zu gebieten.“ Hier ist Ihnen ein geschicktes Rechenexempel eingefallen. Anstatt in der Mittelfristplanung für 2017 tatsächlich Personalkostensenkungen einzuplanen, haben Sie die Berechnungslogik angepasst. D.h. im Klartext, Sie gehen nun nicht mehr von den genehmigten Stellen aus, sondern nur noch von den „wahrscheinlich“ besetzten. Und siehe da, die Personalkosten steigen noch immer, aber weniger stark. Im Vergleich zur ursprünglichen Planung aus 2016 sieht es aus, als ob 1,4% eingespart wurden – honi soit, qui mal y pense.
Meinen Sie wirklich, dass der Kreis diesen Griff in die Trickkiste durchgehen lässt?
Der Landrat fordert, dass die Maßnahmen zur Reduzierung der Personalkosten u.a. durch die Ausweitung der IKZ unbedingt zeitnah umzusetzen sind.
Herr Temmen, bei der letzten HH Besprechung 2016 haben Sie uns bereits versprochen, ein Konzept dazu vorzulegen. Bei der Besprechung des HH 2017 haben wir nochmals nachgefragt. Es gibt noch nicht einmal ein Konzept für die IKZ, dass die Verwaltung vorlegen kann, geschweige denn eine Darstellung, welche Auswirkungen diese auf Kronberg hätte.
Der Landrat kritisiert: „Öffentliche Einrichtungen weisen zum Teil nach wie vor erhebliche Unterdeckungen auf. … Diesbezüglich sind Beitrags- und Gebührenanpassungen vorzunehmen.“ Auch heißt es: „Es sind nur die Ausgaben zu leisten, zu denen die Stadt rechtlich verpflichtet ist oder die – bei Anlegung eines strengen Maßstabs – dringend erforderlich sind (Verweis auf das Prüfraster für freiwillige Leistungen gem Ziffer 6 der Leitlinie zur Konsolidierung der kommunalen Haushalte). Selbst bei Pflichtleistungen sind Ermessensspielräume für Einsparungen zu nutzen.“
Herr Temmen, für die Bürger wichtige freiwillige Produkthaushalte sind weiterhin im Haushalt 2017 defizitär.
Schwimmbad (- 328TsdEuro)
die Tiefgarage am Berliner Platz (-131 Tsd Euro)
die Kunstschule (-22 Tsd Euro)
die Stadtbücherei (-200 Tsd Euro)
Insgesamt summiert sich dies auf 700.000 Euro Defizit. Wenn das, Herr Temmen, annähernd die 1 Mio sein soll, die die Verwaltung pauschal – so steht es im Haushalt 2017 geschrieben – sparen will, dann sollten wir nicht erst einen Haushalt 2017 beschließen und nächstes Jahr anfangen zu überlegen. Dann wird es höchste Zeit, sich hier und heute Gedanken zu machen, wie wir diese für die Bürger wichtigen Einrichtungen retten können. Der Haushalt 2017 beinhaltet kein Konzept, wie die Verwaltung selber sparen kann, um die Defizite zu beseitigen. Wohlgemerkt: mit Konzept meint die KfB nicht, dass immer nur die Gebühren erhöht, sondern dass die Aufwände der Verwaltung gesenkt werden!
Die Gesamteinschätzung durch den Landrat ist so prekär, dass mit der Anhebung der Grundsteuer B gedroht wird, wenn der Haushaltsausgleich in den Folgejahren auszuschließen ist. Und genau das ist lt. Haushalt 2017 der Fall: Wir werden weiter defizitäre Ergebnisse haben und möglicherweise wird in der Folge den Bürgern zwangsweise eine Grundsteuer B Erhöhung drohen.
In der Folge versagt der Landrat die Genehmigung für 50% der geplanten Kredite (ohne das KfW Darlehen).
Wenn Sie, sehr geehrte Stadtverordnete, diesen Haushalt 2017 wissend um diese Fakten heute durchwinken, stünde dies für die Ignoranz, mit offenen Augen nicht sehen zu wollen!
Die KfB stellt daher folgenden, jeweils separat zu betrachtenden Anträge:
Antrag 1: Wir beantragen, die Verabschiedung des Haushalts 2017 zu verschieben, bis eine Aktualisierung, Präzisierung des Haushaltssicherungskonzepts gemeinsam mit allen Fraktionen abgestimmt wurde. (Die pauschale Einstellung von 1 Mio Ergebnisverbesserung ohne konkrete Maßnahmenhinterlegung ist nicht ausreichend!)
Antrag 2: Wir beantragen, die Verabschiedung des Haushalts 2017 zu verschieben, bis wir die Effekte aus den Haushaltskonsolidierung unterm Strich in einen Tilgungsplan überführt haben, aus dem für alle erkennbar wird, wann wir unsere Schulden abgebaut haben werden (und aus dem Haushaltssicherungskonzept kommen).
Antrag 3: Wir beantragen eine Besetzungssperre aller aktuell offenen, nicht besetzten Stellen (Ausnahme: Kindergärten), bis das aktualisierte Haushaltssicherungskonzept erstellt und verabschiedet ist.
Antrag 4: Wir beantragen, die Verabschiedung des Haushalts zu verschieben, bis die Verwaltung einen Maßnahmenkatalog entwickelt hat, der für die freiwilligen öffentlichen Leistungen bzw. Einrichtungen (davon ausgenommen immer: Kindergärten und Jugendarbeit ) in den nächsten zwei Jahren eine schwarze „0“ aufweist, ohne diese Leistungen generell aufzugeben.
Antrag 5: Aufgrund der Haushaltssperre 2016 bis dato müssen in der HH Kasse freie, nicht verwendete Mittel vorhanden sein. Selbst wenn noch in diesem Jahr bestimmte Pflichtausgaben getätigt werden würden, gehen wir davon aus, dass freie Mittel zur Verfügung stehen. Die KfB beantragt, dass diese transparent gemacht und zur Schuldentilgung verwendet werden.
So hat die Presse berichtet:
Taunus-Zeitung vom 10.12.2016: Haushalt mit Fragezeichen (nicht online verfügbar)
Kronberger Bote vom 15.12.2016: Knappe Verabschiedung des Haushalts mit 17:15 Stimmen
Taunus-Zeitung vom 24.12.2016: Rathaus-Chef nimmt Verwaltung und Magistrat gegen Vorwürfe in der Haushaltsdebatte in Schutz