Heute feiern wir eine Sternstunde im Parlament. Sternstunde deshalb, weil mit dem vorliegenden Antrag von uns eine Entscheidung von großem Seltenheitswert abverlangt wird:
Die Kronberger Bürger sollen zukünftig weniger Steuern zahlen. Das ist sensationell. In der Regel ist es doch umgekehrt: Der Bürger wird ständig weiter zur Kasse gebeten. Steuersenkungen sind so gut wie nie vorgesehen. Im Gegenteil: ist einmal eine Steuer eingeführt, verharrt sie bestenfalls, doch normalerweise wird sie immer wieder angehoben. Abgeschafft wird sie selten.
1. Beispiel: die Sektsteuer: eingeführt im Jahre 1902 zur Finanzierung der kaiserlichen Flotte. Wir haben sie noch heute, Zweck ist längst entfallen.
2. Beispiel: der Solidaritätszuschlag: eingeführt, begrenzt auf 12 Monate, im Jahre 1991 vor allem zur Finanzierung des 2. Golfkriegs. Später 1995 erneut erhoben zur Finanzierung der Kosten der deutschen Einheit. Fortgeführt bis heute. Das derzeitige politische Gerangel in Berlin um die Soli-Entlastung zeigt wie schwer es fällt, eine einmal eingeführte Steuer aufzuheben oder aber zu reduzieren. Und all dies trotz bester wirtschaftlicher Voraussetzungen.
Nun zu den Kronberger Verhältnissen.
Die Grundsteuer B wurde innerhalb von vier Jahren: 2011 (250), 2013 (330) und 2015 (500) dreimal angehoben und damit verdoppelt. Sie hat in diesen Jahren der Stadtkasse ca. 9 Mio. Euro zugeführt. Um es nochmals klar auszudrücken: die Kronberger Bürger sind in den letzten Jahren um ca. 9 Mio Euro erleichtert worden.
Diese Steueranhebung wurde damit begründet, daß der Kronberger HH stark defizitär sei. Der Landrat sah sich gezwungen, der Stadt Kronberg Maßnahmen aufzuerlegen, um das Defizit abzubauen. Der Landrat verfügte, einen Haushaltssicherungskonzept aufzustellen. Darin war u.a. die Anhebung der Grundsteuer B vorgesehen.
Inzwischen ist der HH nicht länger defizitär, es weist sogar einen satten Überschuss auf, nicht nur für dieses Jahre, sondern auch in der mittelfristigen Betrachtung. Und der Landrat besteht konsequenterweise nicht länger auf ein Haushaltssichungskonzept.
Deshalb ist es folgerichtig, auch das Thema Steuersenkung anzugehen, insbesondere die Reduzierung der Grundsteuer B, die alle Bürger betrifft.
Wir, von der KfB, hatten im Rahmen der Prüfung des HH-Entwurfs schon diese Entwicklung erkannt und bei den HH-Beratungen im Februar einen entsprechenden Antrag gestellt, der allerdings keine Mehrheit fand. Auch der Bürgermeister sprach sich gegen unseren Antrag aus.
Aber nur vier Monate später, nachdem die Stadtverordnetenversammlung beschlossen hatte, den Bürgermeister aufzufordern, eine finanzielle Entlastung der Kronberger Bürger anzustreben, kam wieder Bewegung in die von uns im Februar schon gestellte Forderung zur Reduzierung der Grundsteuer B.
So liegt uns heute der Antrag vor, der die Bürger um ca. 200.000 Euro entlasten wird, ab 1.1.2019. - 9 Mio Belastung in den letzten Jahren gegenüber 200.000 Euro Entlastung ab 1.1.2019. Aus unserer Sicht ist es eine sehr bescheidene Entlastung, es wäre mehr drin.
Aber wir werden uns dennoch dem Antrag anschließen und hoffen sehr, dass die Grünen sich nicht verweigern. Wir hoffen bei absehbar guter wirtschaftlicher Entwicklung, dass in Zukunft weitere Steuersenkungen möglich sind.
Schließlich zeigt dieser Schritt, das zumindest dem Kronberger Bürger gelegentlich so etwas wie eine Sternstunde blüht. Mit den von Stefan Zweig dargestellten Sternstunden der Menschheit zwar nicht zu vergleichen, aber was die parlamentarische Wirklichkeit angeht, wohl nicht ganz falsch benannt.
Geplanter Wortbeitrag von Dr. Heide-Margaret Esen-Baur für die Stadtverordnetenversammlung am 8.11.2019, der nicht vorgetragen werden konnte, da wegen Ablauf der Beratungszeit ohne Debatte abgestimmt wurde.